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Vorwort
Inhalt
1.Das Klima als öffentlicher Belang in der Bau­­leit­­planung
2.Charakteristik und Erscheinungsformen des Stadtklimas
3.Energiebewusste Bauleitplanung
4.Methoden der Informations­­­gewinnung für die Planung (Messungen, Windkanal, Numerische Modellierung)
5.Klima- und Lufthygienekarten als Hilfsmittel in der Bauleitplanung
(Beispiel: Klimaatlas Verband Region Stuttgart)
5.1Einleitung
5.2Infrarot-Thermographie
5.3Meteorologische Grundlagen-Karten
5.4Kaltluftentstehung- und -abfluss, Windfeldberechnungen
5.5Lufthygienische Karten
5.6Prognose der Auswirkungen des Klimawandels: Jahresmitteltemperatur
und Bioklima
5.7Klimaanalyse-Karte
5.8Karte mit Hinweisen für die Planung
6.Empfehlungen für die Planung
7.Literaturverzeichnis
8.Thematische Websites
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KLIMA- UND LUFTHYGIENEKARTEN ALS HILFSMITTEL IN DER BAULEITPLANUNG
(BEISPIEL: KLIMAATLAS VERBAND REGION STUTTGART)
   
 5.7 Klimaanalyse-Karte

Ein wesentlicher Bestandteil der Untersuchung war die Erstellung einer Klimaanalyse-Karte, die die lokalklimatischen Gegebenheiten in diesem Gebiet als flächenhafte Übersicht darstellt (Abb. 5/10 und Abb. 5/11). Das bereits beschriebene Datenmaterial, topographische Karten, Stadtkarten, Flächennutzungsplan und Luftbildplan bilden hierzu wesentliche Grundlagen.

Die Ausweisung der Klimatope und der Kaltluftsammelgebiete ist nicht parzellenscharf; es ergeben sich Toleranzen bis zu 100 m, da sowohl die inhaltliche Festlegung der Grenzen unter Berücksichtigung von Übergangsbereichen als auch die Zeichengenauigkeit aufgrund der verwendeten Arbeitsmaterialien einkalkuliert werden muss. Für genauere Aussagen sind fachliche Detailgutachten notwendig. Die in den Karten verwendeten Signaturen und Symbole entsprechen weitgehend der VDI-RICHTLINIE 3787 Bl.1, die bis 2013 überarbeitet wird.

Klimatope

Klimatope beschreiben Gebiete mit ähnlichen mikroklimatischen Ausprägungen. Diese unterscheiden sich vornehmlich nach dem thermischen Tagesgang, der vertikalen Rauhigkeit (Windfeldstörung), der topographischen Lage bzw. Exposition und vor allem nach der Art der realen Flächennutzung. Als zusätzliches Kriterium spezieller Klimatope wird das Emissionsaufkommen herangezogen. Da in besiedelten Räumen die mikroklimatischen Ausprägungen im wesentlichen durch die reale Flächennutzung und insbesondere durch die Art der Bebauung bestimmt werden, sind die Klimatope nach den dominanten Flächennutzungsarten bzw. baulichen Nutzungen benannt.

Gewässer-Klimatop

Das Gewässer-Klimatop (insbesondere großflächige Gewässer) hat gegenüber der Umgebung einen ausgleichenden thermischen Einfluss durch schwach ausgeprägte Tages- und Jahresgänge; dort sind die Lufttemperaturen im Sommer tagsüber niedriger und nachts höher als in der Umgebung. Das Gewässer-Klimatop zeichnet sich durch hohe Luftfeuchtigkeit und Windoffenheit aus.

Freiland-Klimatop

Das Freiland-Klimatop (Abb. 5/12) weist einen extremen Tages- und Jahresgang der Temperatur und Feuchte sowie sehr geringe Windströmungsveränderungen auf. Damit ist eine intensive nächtliche Frisch- und Kaltluftproduktion verbunden. Dies trifft insbesondere auf ausgedehnte Wiesen- und Ackerflächen sowie auf Freiflächen mit sehr lockerem Gehölzbestand zu.

Wald-Klimatop

Das Wald-Klimatop (Abb. 5/13) zeichnet sich durch stark gedämpfte Tages- und Jahresgänge der Temperatur und Feuchte aus. Während tagsüber durch die Verschattung und Verdunstung relativ niedrige Temperaturen bei hoher Luftfeuchtigkeit im Stammraum vorherrschen, treten nachts relativ milde Temperaturen auf. Zudem wirkt das Blätterdach als Filter gegenüber Luftschadstoffen, so dass die Waldklimatope als Regenerationszonen für die Luft und als Erholungsraum für den Menschen geeignet sind.

Grünanlagen-Klimatop

Innerörtliche, parkartige Grünflächen (Abb. 5/14) wirken aufgrund des relativ extremen Temperatur- und Feuchte-Tagesganges und der damit verbundenen Kalt- und Frischluftproduktion ausgleichend auf die bebaute und meist überwärmte Umgebung. Größere Grünflächen dienen als Ventilationsschneisen. Innerörtliche Grünflächen mit dichtem Baumbestand stellen durch Verschattung tagsüber kühle Ausgleichsflächen mit hoher Luftfeuchtigkeit gegenüber der erwärmten Umgebung dar.

Gartenstadt-Klimatop

Das Gartenstadt-Klimatop (Abb. 5/15) umfasst bebaute Flächen mit offener, ein- bis dreigeschossiger Bebauung und reichhaltigen Grünflächen. Gegenüber dem Freiland-Klimatop sind alle Klimaelemente leicht modifiziert, wobei eine merkliche nächtliche Abkühlung stattfindet und Regionalwinde nur unwesentlich gebremst werden.

Stadtrand-Klimatop

Das Stadtrand-Klimatop (Abb. 5/16) wird durch dichter stehende, maximal dreigeschossige Einzelgebäude, Reihenhäuser oder Blockbebauung mit Grünflächen oder durch maximal 5geschossige freistehende Gebäude mit Grünflächen bestimmt. Die nächtliche Abkühlung ist stark eingeschränkt und im wesentlichen von der Umgebung abhängig. Die lokalen Winde und Kaltluftströme werden behindert, während Regionalwinde stark gebremst werden.

Stadt-Klimatop

Mehrgeschossige geschlossene Bebauung mit wenig Grünflächenanteilen und freistehenden Hochhäusern prägt das Stadt-Klimatop (Abb. 5/17). Bei starker Aufheizung am Tage ist die nächtliche Abkühlung sehr gering. Dadurch entsteht gegenüber der Umgebung ein Wärmeinseleffekt mit relativ niedriger Luftfeuchtigkeit. Die dichte und hohe Bebauung beeinflusst die regionalen und überregionalen Windsysteme in erheblichem Umfang, so dass der Luftaustausch eingeschränkt ist und eine insgesamt hohe Schadstoffbelastung besteht. In den Straßenschluchten sind sowohl hohe Luftschadstoff- und Lärmbelastungen als auch böenartige Windverwirbelungen anzutreffen.

Stadtkern-Klimatop

Dichte und hohe innerstädtische Bebauung (Abb. 5/18) mit sehr geringen Grünanteilen führt tagsüber zu starker Aufheizung und nachts zur Ausbildung einer deutlichen Wärmeinsel bei durchschnittlich geringer Luftfeuchtigkeit. Die massive Bebauung führt zusammen mit der ausgeprägten Wärmeinsel zu bedeutender Beeinflussung der regionalen und überregionalen Winde. Insgesamt besteht eine hohe Schadstoffbelastung. In den Straßenschluchten treten neben böenartigen Windverwirbelungen hohe Luftschadstoff- und Lärmbelastungen auf.

Gewerbe-Klimatop

Das Gewerbe-Klimatop (Abb. 5/19) entspricht im wesentlichen dem Klimatop der verdichteten Bebauung, d.h.: Wärmeinseleffekt, geringe Luftfeuchtigkeit, erhebliche Windfeldstörung. Zusätzlich sind vor allem ausgedehnte Zufahrtsstraßen und Stellplatzflächen sowie erhöhte Emissionen zu nennen. Im nächtlichen Wärmebild fällt teilweise die intensive Auskühlung im Dachniveau großer Hallen auf (insbesondere mit Blechdächern), während die von Gebäuden gesäumten Straßen und Stellplätze weiterhin stark erwärmt bleiben.

Industrie-Klimatop

Das Industrie-Klimatop ist mit dem Stadtkern- undStadt-Klimatop vergleichbar, weist aber großflächige Verkehrsflächen und weit höhere Emissionen auf (immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen). Bei intensiver Aufheizung am Tage bildet sich auch nachts aufgrund der Ausdehnung versiegelter Flächen eine deutliche Wärmeinsel aus, obwohl die Dächer der Hallen teilweise bemerkenswert auskühlen. Die am Boden befindlichen Luftmassen sind erwärmt, trocken und mit Schadstoffen angereichert. Die massiven Baukörper und die bodennahe Erwärmung verändern das Windfeld wesentlich.

Bahnanlagen-Klimatop

Das Bahnanlagen-Klimatop ist durch eine intensive Erwärmung am Tag und eine rasche nächtliche Abkühlung gekennzeichnet; allerdings liegen die Oberflächentemperaturen dort höher als im Freiland. Die Gleiskörper sind aufgrund ihrer geringfügigen Überbauung windoffen und dienen in bebauten Gebieten oftmals als Luftleitbahnen bzw. Luftaustauschflächen. Ihre Berücksichtigung als Klimatop erfolgt ab einer Breite von ca. 50 m, d.h. nur im Falle mehrgleisiger Bahnstrecken.

Kaltluftbereiche, Besonderheiten der Reliefstruktur

Die Belüftung der Siedlungsgebiete durch Kaltluftfluss hat eine wesentliche Funktion insbesondere während austauscharmer Wetterlagen. Deshalb sind die Kaltluftentstehungs- und Kaltluftsammelgebiete, welche die nächtliche Frischluftzufuhr bewirken, in dieser Karte besonders gekennzeichnet. Weitere Darstellungen sind Kaltluftstaubereiche, Verengungen in Tälern, Hangabwinde, Berg- und Talwinde und Luftleitbahnen für regionale Winde sowie Angaben zur Luftbelastung.

Belastungen durch Verkehrsemissionen

Die Hauptverkehrsstraßen wurden anhand der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärken (DTV), die aktuellen Zählungen und Berechnungen entnommen sind, in drei Gruppen unterteilt und durch die Breite der Rasterbänder differenziert dargestellt.

Piktogramme

Mittels Piktogrammen sind Gebiete erhöhter Hausbrand- bzw. Verkehrsemissionen, intensiv emittierender Betriebe sowie Gebiete mit hoher Staubemission und Wärmebelastung (Abgrabungen) in den jeweiligen Klimatopflächen gekennzeichnet. Weitere Piktogramme weisen auf lokale Besonderheiten hin, die für die betreffenden Flächen Bedeutung haben.

Das Piktogramm Immissionsbelastung hebt Gebiete mit hoher Schadstoffbelastung in bodeninversionsgefährdeten Bereichen hervor. Dabei handelt es sich um stark abkühlende Kaltluftsammelgebiete, die aufgrund nahegelegener Schadstoffemittenten hohe Luftbelastungswerte aufweisen.

In bodeninversionsgefährdeten Gebieten und Tallagen entsteht häufig Boden-/Talnebel. Die Signatur abgehobene Inversion bezieht sich auf ausgedehnte und dominante Wärmeinseln in bebauten Gebieten. Durch die relativ hohe Oberflächentemperatur und die damit verbundene Turbulenz bildet sich keine Bodeninversion (vgl. Abb. 3/20 in Kap. 3.3.2); die Inversionsuntergrenzen liegen folglich einige Dekameter über Grund.

Die Windfeldveränderungen weisen auf hohe Gebäude (Hochhäuser mit mindestens 10 Geschossen) oder besondere Geländeerhebungen (Auffüllberge, Halden) hin, an denen die Windgeschwindigkeit gebremst, die Windrichtung umgelenkt und die Strömungsturbulenz erhöht wird.

Die Windrose stellt die prozentuale Verteilung der Windrichtungshäufigkeit im Jahresmittel an einem Messpunkt dar.

Die Luftbelastungswindrose kombiniert die oben beschriebene Windrose mit Immissionsmessungen und gibt die mittlere gemessene Schadstoffkonzentration unter dem Einfluss der jeweiligen Windrichtung an.

 
 
 
Abb. 5/10: Klimaanalyse-Karte, Stadtgebiet Stuttgart
Quelle: Klimaatlas Verband Region Stuttgart 2008
 
Abb. 5/11: Legende zur Klimaanalyse-Karte
Quelle: Klimaatlas Verband Region Stuttgart 2008
 
Abb. 5/12: Beispiel eines Freiland-Klimatopes
 
Abb. 5/13: Beispiel eines Wald-Klimatopes
 
Abb. 5/14: Beispiel eines Grünanlagen-Klimatopes
 
Abb. 5/15: Beispiel eines Gartenstadt-Klimatopes
 
Abb. 5/16: Beispiel eines Stadtrand-Klimatopes
 
Abb. 5/17: Beispiel eines Stadt-Klimatopes
 
Abb. 5/18: Beispiel eines Stadtkern-Klimatopes
 
Abb. 5/19: Beispiel eines Gewerbe-Klimatopes