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Vorwort
Inhalt
1.Das Klima als öffentlicher Belang in der Bau­­leit­­planung
2.Charakteristik und Erscheinungsformen des Stadtklimas
3.Energiebewusste Bauleitplanung
3.1Allgemeines
3.2Die Sonne als Energiequelle
3.2.1Globalstrahlung
3.2.2Sonnengeometrie
3.2.3Hilfsmittel zur Untersuchung der Besonnungsverhältnisse
3.2.4Tageslichtbeleuchtung
3.3Die Lufttemperatur als Einflussgröße energiebewusster Planung
3.3.1Kennwerte zur Beschreibung des thermischen Niveaus
3.3.2Lokalklimatische Gesichtspunkte
3.4Der Wind als Einfluss­größe energiebewusster Planung
3.4.1Windstatistik
3.4.2Folgerungen aus der Windstatistik
3.4.3Windzunahme mit der Höhe
4.Methoden der Informations­­­gewinnung für die Planung (Messungen, Windkanal, Numerische Modellierung)
5.Klima- und Lufthygienekarten als Hilfsmittel in der Bauleitplanung
(Beispiel: Klimaatlas Verband Region Stuttgart)
6.Empfehlungen für die Planung
7.Literaturverzeichnis
8.Thematische Websites
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ENERGIEBEWUSSTE BAULEITPLANUNG
   
 3.2.2 Sonnengeometrie

Die Globalstrahlung hat ihr Maximum in Richtung auf den jeweiligen Sonnenstand. Sonnenenergienutzung beruht somit auch in der einfachsten Form auf optimaler Exposition der für den Energieumsatz vorgesehenen bzw. bauphysikalisch dafür geeigneten Flächen und ihrer Verschattungsfreiheit.

Grundlagen und wesentliche Arbeitshilfen zur Berechnung der Strahlung enthalten neben o.g. Datenbanken auch die VDI-RICHTLINIE 3789 Bl. 2, (1994) und die SOLARFIBEL, WIRTSCHAFTSMINISTERIUM BADEN-WÜRTTEMBERG (2007).

Exposition

Die Orientierung von Flächen nach Himmelsrichtung und Neigungswinkel führt zu unterschiedlichen Einstrahlungsbeträgen, wobei die tages- und jahreszeitlichen Veränderungen des Sonnenstandes zu berücksichtigen sind. (Zwischen Sommer- und Wintersonnenwende ändert sich der Sonnenstand (Sonnenhöhe) am Mittag um immerhin 47 Grad!) So verschiebt sich im Winter das Strahlungsmaximum wegen des niedrigeren Sonnenstandes zu stärker nach Süden geneigten Flächen.

Eine einfache Arbeitshilfe zur Beurteilung einer Flächenorientierung zur Nutzung der jährlichen Sonnenenergieeinstrahlung stellt die aus BIASIN u. DIETRICH, 1992 entnommene Abbildung 3/7 dar.

In diesem Diagramm wird von einer mittleren jährlichen Einstrahlung auf die horizontale Fläche von 982 kWh/m² ausgegangen. Im Falle einer nach Süden orientierten und um 30° geneigten Fläche ergibt sich ein Maximum der jährlichen Einstrahlung von 1 055 kWh/m².

In Bezug auf diesen gleich 100% gesetzten Maximalwert bedeuten alle anderen Richtungsorientierungen und Neigungswinkel geringere prozentuale Strahlungsausbeuten. Betrachtet man die Verhältnisse im Falle einer Gebäudewand (Neigungswinkel 90°), stellt man für Orientierungen im Himmelshalbkreis zwischen Ost über Süd nach West eine vergleichsweise geringe Veränderung gegenüber der nach Osten und Westen abnehmenden Sonnenhöhe fest, d.h. die jährliche Einstrahlung bleibt im Bereich zwischen ca. 60% und 68% des Maximalwertes. Dies bedeutet allerdings weitaus weniger Strahlungsgewinn als im Falle einer horizontalen Fläche, die im Einstrahlungsdiagramm bei 93% läge. Nur der von der 93%-Kurve umschlossene Expositionsbereich bedeutet somit eine die horizontale Fläche übertreffende Strahlungsausbeute.

Zur Bewertung passiver Sonnenenergienutzung durch Fensterflächen ist es erforderlich, die Angaben für Wände unterschiedlicher Orientierung differenzierter zu betrachten: In Abbildung 3/8 sind unter Einbeziehung auch nördlicher Wandorientierungen Jahresgänge der mittleren monatlichen Globaleinstrahlung (aufgeteilt nach Diffusstrahlung und Direktstrahlung) beispielhaft für Stuttgart dargestellt.

Folgendes wird dabei offensichtlich:

Die höhere Globalstrahlung an heiteren Tagen mit nahezu wolkenlosem Himmel ist mit geringeren Anteilen der diffusen Himmelsstrahlung verbunden. Allerdings verteilt sich die Diffusstrahlung bei völlig bedecktem Himmel nahezu gleichmäßig auf alle Himmelsrichtungen mit einem Intensitätsmaximum im Zenit. Im Mittel jedoch, d.h. bei Berücksichtigung der mittleren Bewölkungsverhältnisse ergibt sich für den diffusen Strahlungsanteil ein Wertebereich von etwa der Hälfte (Südwand) bis zu 95% (Nordwand).

Der unter mittleren Bedingungen hohe diffuse Strahlungsanteil bewirkt also einen gewissen Ausgleich der Globalstrahlung bei unterschiedlicher Orientierung. Die Globalstrahlung auf Ost- bzw. Westwand beträgt im Mittel 81% derjenigen der Südwand. Der Vergleichswert für das Verhältnis Nordwand zu Südwand beträgt rund 48%.

Der energetische Vorteil einer Südorientierung gegenüber der Ost-/Westorientierung kommt hauptsächlich während der Heizzeit zur Geltung. Vor allem während der Monate November, Dezember und Januar zeigen sich deutliche Strahlungsdefizite bei den von Süden abweichenden Expositionen. Bei Betrachtung der Heizzeit schneidet dann auch die Nordwand noch wesentlich ungünstiger ab als im Vergleich der Jahresmittelwerte.

Ein weiterer Gesichtspunkt spricht für die Südexposition von Gebäudebreitseiten bzw. größerer Fensterflächen: In der Realität der gebauten Stadt ergibt sich bei niedrigem Sonnenstand (morgens und abends, insbesondere in den Wintermonaten) aufgrund umgebender Bebauung stets eine gewisse Horizontüberhöhung ("Verschattung"), die späteren Sonnenaufgang und früheren Sonnenuntergang bewirkt. Somit besteht für den Südhimmel eine größere Chance der Verschattungsfreiheit, wodurch die Südexposition zusätzlich an Bedeutung gewinnt. Dabei vermindert eine Orientierung der Fenster eines Gebäudes ausschließlich nach Süden den Energieverbrauch um etwa 10%.

Abb. 3/9 zeigt den Einfluss der Orientierung der Hauptfassade auf den Jahreswärmebedarf bei unterschiedlichen Energiestandards. Die Berechnung gilt für ein Beispielgebäude mit A/V = 0,73 und 16 % Fensterflächenanteil. Bei Gebäuden, die die Anforderungen der EnEV 2009 erfüllen, erhöht sich der Heizwärmebedarf bei einer Abweichung von der Südorientierung vergleichsweise schwach. Ein Gebäude mit einem um 30 % erhöhten Standard reagiert dagegen deutlich sensibler, da die solaren Einträge bei diesen Gebäuden einen größeren Anteil an der Wärmebilanz des Gebäudes haben.

Verschattung

Verschattung bedeutet Verminderung der astronomisch möglichen Besonnung durch Horizontüberhöhung (z.B. Berge) oder umgebende Baulichkeiten. Vor allem bei Tallagen und nordexponierten Lagen, aber auch im Bereich dichter städtischer Bebauung ergeben sich empfindliche Einschränkungen der Sonnenscheindauer.

Aufgrund der Verschattung bei niedrigem Sonnenstand erhalten Nordhänge mit Neigungen bis 10° im Winter 10% bis 30% weniger Globalstrahlung als südlich exponierte Lagen. Nordhangbebauungen sollten daher so weit wie möglich vermieden werden, da diese mikroklimatischen Nachteile nur unzureichend durch andere bauliche oder siedlungsstrukturelle Maßnahmen kompensiert werden können (DÜTZ u. MÄRTIN, 1982).

Hilfreich für die Planung sind berechnete Solarkarten die diese Zusammenhänge verdeutlichen. Die Abbildung 3/10 zeigt die direkte Sonnenstrahlung als Jahresmittel für das Stadtgebiet von Stuttgart. Die Unterschiede der Einstrahlung bei unterschiedlicher Hanglage sind deutlich zu erkennen. In Abbildung 3/10a ist dagegen die Gesamtstrahlung dargestellt.

In Abbildung 3/11 ist das Ergebnis einer Computerberechnung der Solareinstrahlung für ein geplantes Baugebiet wiedergegeben (GORETZKI, 2012). Obgleich man hier auf den ersten Blick wegen der günstigen Exposition beste Voraussetzungen zur passiven Sonnenenergienutzung erwartet hätte, zeigt die Simulation für die Heizperiode aufgrund von Hangverschattung (als Folge der Geländeform) eine teilweise um bis zu 50 % verminderte Einstrahlung.

Mit Hilfe des Polarkoordinaten-Diagramms Abbildung 3/12 kann die astronomisch mögliche Sonnenscheindauer eines Standortes, aber auch ihre Einschränkung durch Horizontüberhöhung und Verschattung aus den für unterschiedliche Jahreszeiten geltenden Sonnenkurven ermittelt werden. Das Diagramm gilt streng für 48° 46" nördl. Breite, 9° 11" östl. Länge und ist in dieser Form mit genügender Genauigkeit in Baden-Württemberg zu verwenden. Bei dieser geographischen Breite ergeben sich die Extremwerte des Sonnenstandes um 12 Uhr Ortszeit (nicht Mitteleuropäische Zeit (MEZ)!) zu:

64,5° (21. Juni, Sommer-Sonnenwende)
17,6° (21. Dezember, Winter-Sonnenwende)

Für andere Termine und Uhrzeiten kann der Sonnenstand aus Abbildung 3/12 gleichfalls entnommen werden:

Sonnenbahnen anderer Orte und beliebiger Tage können abgefragt werden unter der Internetadresse:
http://www.stadtklima-stuttgart.de/index.php?klima_sonnenstand

Die punktierten Linien geben die Uhrzeit in MEZ an. Die konzentrischen Kreise sind mit einer Grad-Skala der Sonnenhöhe versehen. Den gesuchten Sonnenstand erhält man durch das Aufsuchen des Schnittpunktes einer durchgezogenen Datumskurve mit einer punktierten Uhrzeit-Kurve. Am Schnittpunkt lassen sich der Winkel der Sonnenhöhe (konzentrische Kreise) sowie der Sonnen-Azimut (Himmelsrichtung der Sonne) ablesen, letzterer indem man den Schnittpunkt mit dem Mittelpunkt des Diagramms verbindet und aus der Kompass-Skala die zugehörende Himmelsrichtung abliest.

Überträgt man in ein solches Diagramm das Gelände- oder Verbauungsbild aus der Perspektive des zu untersuchenden Ortes, gibt der durch Horizontüberhöhung nicht verdeckte Kurvenbereich der Sonnenbahn die noch verbleibende Besonnungsmöglichkeit an. Damit lässt sich die Verschattung etwa durch vorhandene oder geplante Bebauung im südlichen Teil der Himmelshalbkugel beurteilen. Diese Methode wird ausführlich bei TONNE (1954) (Vgl. Kap. 3.2.3) beschrieben.

Das Verbauungsbild muss in Zentralprojektion in das Diagramm übertragen werden, so wie es sich als Spiegelbild auf einer verspiegelten Halbkugel abbilden würde, die auf der Horizontebene aufliegt. Der Mittelpunkt des Diagramms entspricht somit dem Zenit, auf den sämtliche senkrechte Baulinien radial zulaufen. Der Außenkreis des Diagramms entspricht dem Horizont. Parallel zum Horizontkreis verlaufende Raumkanten bzw. horizontale Baulinien werden je nach ihrer Höhe auf den konzentrischen Kreisen abgebildet.

Dabei ist zu beachten, dass die Dachkante eines langen, geraden Gebäudes dem Betrachter bei größeren Seitenwinkeln unter einem kleineren Höhenwinkel erscheint, so dass das Verbauungsbild gemäß der Variation des Höhenwinkels die konzentrischen Kreise entsprechend schneidet.

Im Gelände selbst ist der Einsatz einer Kamera mit Fischaugen-Objektiv empfehlenswert. Unter Einbeziehung der Himmelsrichtung kann das so gewonnene Bild mit den Solarkurven des Polardiagrammes überlagert werden. Die Abbildung 3/13 zeigt ein Ergebnis für den Standort Marktplatz-Mitte in Stuttgart.

Zur Beurteilung der Besonnungsverhältnisse kann die DIN 5034-1 herangezogen werden. Diese enthält verschiedene Kriterien für Mindestanforderungen an eine astronomisch mögliche Besonnungsdauer. Nach der derzeitigen Fassung vom Juli 2011 sollte die mögliche Besonnungsdauer in mindestens einem Aufenthaltsraum einer Wohnung zur Tag- und Nachtgleiche vier Stunden betragen. Soll auch eine ausreichende Besonnung in den Wintermonaten sichergestellt sein, sollte die mögliche Besonnungsdauer am 17. Januar mindestens einer Stunde betragen. Nachweisort ist die Fenstermitte in der Fassadenebene. Als Besonnung gilt, wenn die Sonne über dem natürlichen Horizont als auch mindestens 6 Grad über dem wahren Horizont steht. Steile Geländeerhöhungen oder Baumbewuchs gelten ebenfalls als Verbauung. In der Vorgängerversion der DIN 5034-1 vom Oktober 1999 war die Besonnung am Stichtag 17. Januar von mindestens einer Stunde noch das alleinige Kriterium. Es wurde damals definiert, dass eine Wohnung als ausreichend besonnt gilt, wenn in ihr mindestens ein Wohnraum ausreichend besonnt wird.

GRANDJEAN u. GILGEN, 1973 fordern im Hinblick auf die Anforderungen des gesunden Wohnens eine mindestens dreistündige Besonnungsdauer für einen mittleren Wintertag (8. Februar), wobei der Lichteinfallswinkel mindestens 15° zur Fensterfläche betragen muss.

Sofern sich durch entsprechend gewählte Gebäudeabstände diese Minimalanforderung an die Besonnungsmöglichkeit nicht erfüllen lässt oder wo dies wegen der sich ergebenden Abstände städtebaulich nicht erwünscht ist, sollte mittels abgestaffelter Gebäudehöhen die Besonnung der Südfassaden (Ausrichtung der Gebäudelängsachsen vorwiegend in Ost-West-Richtung) gewährleistet werden. Die höheren Bebauungsformen sind dabei im Norden vorzusehen.

Eine Untersuchung der Besonnungsverhältnisse ergibt sich häufig aus der Notwendigkeit, zur Vermeidung sommerlicher Aufheizung einen wirksamen baulichen Sonnenschutz zu planen. Dies erfolgt am günstigsten in Form von Dachüberständen oder Balkonen, die bei richtiger Dimensionierung die sommerliche Sonneneinstrahlung abschirmen, ohne die während der Heizperiode gewünschte Einstrahlung zu behindern. Gleichfalls geeignet sind in dieser Hinsicht auch Laubbäume, da diese im Gegensatz zu Nadelbäumen ihr schattenspendendes Laub abwerfen.

 
 
 
Abb. 3/7: Einstrahlungsdiagramm aus BIASIN u. DIETRICH, 1992
 
Abb. 3/8: Mittlere monatliche Globalstrahlung für Stuttgart auf verschieden orientierte Flächen.
Quelle: SOLARFIBEL, 2007
 
Abb. 3/9: Einfluss auf den Heiz-wärmebedarf, Quelle: Bayrisches Staatsministerium des Inneren, 2010
 
Abb. 3/10: Jahresmittel der direkten Sonnenstrahlung im Stadtgebiet Stuttgart, Quelle: Solaratlas Stuttgart
 
Abb. 3/10a: Jahresmittel der Gesamtstrahlung im Stadtgebiet Stuttgart,
Quelle: Solaratlas Stuttgart
 
Abb. 3/11: Solareinstrahlung unter Berücksichtigung der Verschattung durch die Geländeform, Quelle: GORETZKI, 2012
 
Abb. 3/12: Besonnungsdiagramm für 48° 46'' nördl. Breite und 9° 11'' östl. Länge
 
Abb. 3/13: Besonnungsdiagramm "Stuttgarter Marktplatz"