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Vorwort
Inhalt
1.Das Klima als öffentlicher Belang in der Bau­­leit­­planung
2.Charakteristik und Erscheinungsformen des Stadtklimas
3.Energiebewusste Bauleitplanung
4.Methoden der Informations­­­gewinnung für die Planung (Messungen, Windkanal, Numerische Modellierung)
5.Klima- und Lufthygienekarten als Hilfsmittel in der Bauleitplanung
(Beispiel: Klimaatlas Verband Region Stuttgart)
6.Empfehlungen für die Planung
6.1Erhaltung und Gewinnung von Vegetationsflächen
6.1.1Landschafts- und Grünordnungsplan
6.1.2Maßzahlen zur Beschreibung der "grünen" Nutzung
6.1.3Vermeidung der Bodenversiegelung durch Grün- und Wasserflächen
6.1.4Dachbegrünung
6.1.5Fassadenbegrünung
6.2Sicherung des lokalen Luftaustausches
6.2.1Kaltluftentstehung
6.2.2Frischluftzufuhr
6.2.3Grünzüge
6.2.4Günstige Siedlungs- und Bebauungsformen
6.3Maßnahmen zur Luftreinhaltung
6.3.1Bereich Gewerbe und Industrie
6.3.2Bereich Hausbrand
6.3.3Bereich Verkehr
6.4Planungsbezogene Stadtklimauntersuchungen
7.Literaturverzeichnis
8.Thematische Websites
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EMPFEHLUNGEN FüR DIE PLANUNG
   
 6.1.5 Fassadenbegrünung

Die Begrünung von Fassaden erfolgt nicht ausschließlich aus klimatischen und bauphysikalischen Gründen, sondern auch aus ästhetischen. So spiegelt z.B. eine mit wildem Wein bewachsene Fassade im Wechselspiel der Farben der Blätter die einzelnen Jahreszeiten wieder (Abb. 6/8).

Zur Begrünung von Fassaden eignen sich vor allem Kletterpflanzen. Dabei unterscheidet man Selbstklimmer (z.B. Efeu, Kletterhortensie), windende Arten (z.B. Geißblatt, Hopfen), rankende Arten (z.B. Clematis, Wein) und Spreizklimmer (z.B. Kletterrose, Brombeere). Der Vorteil von Kletterpflanzen besteht darin, dass bei Nutzung einer kleinen horizontalen Bodenfläche eine große Menge von Biomasse gebildet wird. Die Tabelle 6/3 zeigt beispielhaft Auswahlkriterien für mehrjährige Kletterpflanzen. Bei der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.V. (www.fbb.de/fassadenbegruenung/pflanzenlisten/pflanzen-bodengebundene-begruenung) bzw. bei GUNKEL (2004) finden sich ebenfalls umfangreiche Empfehlungen und Auswahlmöglichkeiten nach verschiedenen Kriterien.

Klimatische Wirkungen

Fassadenbegrünung weist folgende positive Eigenschaften auf:

  • Verbesserung der Wärmedämmung durch Luftpolsterbildung
  • Verringerung des Wärmeverlustes durch Windabbremsung
  • Verringerung des Wärmeverlustes durch Änderung der Strahlungsverhältnisse
  • Umwandlung von Windenergie in Wärme
  • Kühlwirkung durch Verdunstung sowie durch Absorption und Reflexion der Sonnenstrahlen im Blattwerk
  • Feuchteproduktion durch Verdunstung
  • Schutz der Fassade vor starker Temperatur-, UV- und Schlagregenbeanspruchung
Untersuchungen, wie sie von KIESSL und RATH (1989) durchgeführt wurden, ergaben folgende Ergebnisse (Abb. 6/10):

Strahlungsbelastung durch die Sonne:

Eine voll ausgebildete Fassadenbegrünung schützt im Sommer vor intensiver Sonneneinstrahlung und kann je nach Begrünung 40% bis 80% der auftreffenden Sonnenstrahlung reflektieren bzw. im Blattwerk absorbieren. Will man erreichen, dass im Winter die Sonneneinstrahlung die Hauswand erreicht (vgl. Kap. 3), muss man auf Kletterpflanzen zurückgreifen, die im Winter ihre Blätter abwerfen (z.B. wilder Wein, Abb. 6/8).

Windverhältnisse:

Das Blattwerk einer grünen Fassade verändert die Strömungsverhältnisse an der Bauwerksoberfläche erheblich. Durch eine dichte Begrünung bildet sich vor der Hauswand ein ruhiges Luftpolster aus. Die Windgeschwindigkeiten liegen dort im Mittel unter 0,5 m/s.

Oberflächentemperaturen:

Durch das Blattwerk wird die Strahlungsbilanz an der Hauswand verändert. Zudem bewirken auch das Luftpolster und die Verdunstung eine Veränderung der thermischen Bedingungen. An strahlungsreichen Sommertagen wurden die Tagesamplituden an begrünten Wänden im Vergleich mit unbegrünten um bis zu 30 Grad gedämpft. Im Winter lagen die Oberflächentemperaturen einer immergrünen Wand um ca. 2 Grad höher als die der unbegrünten. Im Mittel ergaben sich unter den begrünten Fassaden je nach Orientierung im Sommer um 1 bis 2 Grad niedrigere Wandtemperaturen.

Wärmeverluste:

Eine Fassade mit voll entwickeltem, dichtem immergrünem Bewuchs bewirkt eine Wärmeverlustminderung um ca. 6%. Das unterstreicht nachdrücklich, dass eine grüne Fassade zwar einen Beitrag zum Wärmeschutz liefert, aber einen optimalen baulichen Wärmeschutz nicht ersetzt!

Luftfeuchtigkeit innerhalb der Begrünung:

Die Luftfeuchteveränderungen bei der Begrünung sind in der Regel geringer als allgemein vermutet wird. Sie liegen im Winter bei Erniedrigungen um 2% bis 8% und im Sommer bei Erhöhungen von 4% bis-20% gegenüber einer unbegrünten Wand.

Schlagregen:

Grüne Fassaden stellen einen wirksamen Schutz gegen Schlagregen dar. Voll ausgebildetes Blattwerk verhindert die Schlagregenbelastung an der Hauswand.

Allgemein ist festzuhalten, dass Fassadenbegrünungen vor allem die mikroklimatischen Verhältnisse an den Gebäuden selbst verbessern, jedoch keine Fernwirkungen zu erwarten sind.

Im Zusammenhang mit Fassadenbegrünungen werden häufig auch Probleme angesprochen, insbesondere Bauteilfeuchte und Wandbeschädigung. Hierzu ist festzustellen, dass bei obigen Untersuchungen keine nachteiligen Feuchtewirkungen festgestellt wurden, sondern durch den Regenschutz eher von einer Feuchteschutzwirkung der Bauteile gesprochen werden kann. Bei intaktem Mauerwerk und Verputz sind Schäden durch Begrünungen in der Regel nicht zu erwarten. Inwieweit bei hohen Gebäuden durch die große Biomasse (Gewicht) ein Problem an der Fassade auftreten kann, ist noch nicht abschließend erforscht.

Weitergehende Informationen zu den vielseitigen Möglichkeiten, Gebäude mit modernen Vegetationstechniken auszustatten, bietet das „Handbuch Bauwerksbegrünung“ (KÖHLER, ANSEL et al., 2012).

Rechtliche Grundlagen

Der geregelten Begrünung von Gebäudefassaden kommt eine bislang wenig beachtete Bedeutung für eine nachhaltige ökologische und sozio-ökonomische Entwicklung der Städte zu. Allerdings ergeben sich auch planungs-, straßen- und haftungsrechtliche Probleme und Regelungen hinsichtlich der hoheitlichen Festsetzung und verwaltungsvertraglichen Vereinbarung von Fassadenbegrünungen (Chilla, T., 2002).

Fassadenbegrünungen können in Bebauungsplänen ebenso wie die Dachbegrünungen unter den gleichen Voraussetzungen rechtsverbindlich festgesetzt werden (vgl. Abschnitt 6.1.4).

Beispiel für eine derartige Festsetzung:

"Ein Drittel der Fassadenfläche ist zu begrünen. Technisch begründete Ausnahmen können zugelassen werden (§ 9 (1) 25 BauGB)."

Die Möglichkeit, örtliche (bauordnungsrechtliche) Bauvorschriften über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen nach § 74 (1) 1 LBO zu erlassen, bleibt unberührt.
 
 
 
Abb. 6/8: Bewachsenes Haus mit wildem Wein im Herbst in Stuttgart
 
Abb. 6/9: Fassadenbegrünung in Stuttgart
 
Tab. 6/3: Mehrjährige Kletterpflanzen und Kriterien zur Auswahl von Begrünungen, Quelle: KIESSL u. RATH, 1989
 
Abb. 6/10: Schema-Darstellung erfaßter Mikroklima-Parameter an begrünten bzw. unbegrünten Fassaden sowie qualitative Profilverläufe der dabei wesentlichen Messgrößen für Sommer und Winter (KIESL u. RATH)