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Vorwort
Inhalt
1.Das Klima als öffentlicher Belang in der Bau­­leit­­planung
2.Charakteristik und Erscheinungsformen des Stadtklimas
2.1Allgemeines
2.2Urbaner Wärmehaushalt
2.3Urbane Wärmeinsel
2.4Feuchte/Niederschlag/Vegetation
2.5Wind
2.6Bioklima
2.7Luftaustausch
2.8Schadstoffemissionen
2.8.1Der Verkehr als Schadstoffquelle
2.8.2Rechnerische Abschätzung der Verkehrsimmissionen
2.9Schadstoffbelastungen und Grenzwerte
2.9.1Grenz-/Beurteilungswerte
2.10Schadstoffwirkung
2.11Der Klimawandel
2.11.1Klimawandel in Deutschland
2.11.2Vermeidung des Klimawandels
2.11.3Anpassung an den Klimawandel
3.Energiebewusste Bauleitplanung
4.Methoden der Informations­­­gewinnung für die Planung (Messungen, Windkanal, Numerische Modellierung)
5.Klima- und Lufthygienekarten als Hilfsmittel in der Bauleitplanung
(Beispiel: Klimaatlas Verband Region Stuttgart)
6.Empfehlungen für die Planung
7.Literaturverzeichnis
8.Thematische Websites
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CHARAKTERISTIK UND ERSCHEINUNGSFORMEN DES STADTKLIMAS
   
 2.8.1 Der Verkehr als Schadstoffquelle

Die stetige Zunahme des motorisierten Individualverkehrs (MIV) stellt hohe Anforderungen an die Verkehrspolitik. Vielerorts spricht man heute schon von einem Verkehrskollaps auf den Straßen speziell in den Ballungsgebieten. Verbunden mit dieser Verkehrszunahme ist eine erhebliche Umweltbelastung insbesondere durch Lärm und Luftschadstoffe.

Die Emissionen haben jedoch nicht nur lokale und regionale Bedeutung. Mit den CO2-Emissionen aus dem Verkehr hat dieser Aspekt eine völlig neue, globale Dimension erhalten (s.a. Kap. 2.11).

Das Auto beherrscht den Personen- und den Güterverkehr in der Bundesrepublik Deutschland. So wurden 2009 von den 1123 Mrd. Personenkilometern etwa 80% mit dem privaten Pkw abgewickelt und von den 583 Mrd. Tonnenkilometern des Güterverkehrs rund 71% vom Lkw.

Den Anteil des Straßenverkehrs an den Schadstoffemissionen in der Bundesrepublik Deutschland bezogen auf das Jahr 2009 zeigt die Abbildung 2/19. So lag der verkehrsbedingte Schadstoffausstoß bei PM10 bei 19%, bei den Stickoxiden (als NO2) bei 45% und bei den Kohlenwasserstoffen (NMVOC) bei 10%. Für das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) beträgt der Anteil 19,5%.

Die EU-Kommission hat ein Weißbuch mit dem Titel "Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem" (KOM(2011) 144 endgültig) vorgelegt. Mit dem Weißbuch werden die künftigen Herausforderungen für den Verkehrsbereich (Ölabhängigkeit des Verkehrs als Energiequelle, CO2-Ausstoß, Mengenwachstum, Kostenwachstum durch Überlastung der Infrastruktur, Verkehrssicherheit) in den Blick genommen. Darauf aufbauend werden zehn Ziele für ein wettbewerbsorientiertes und ressourcenschonendes Verkehrssystem genannt (DStGB, 2011).

Die zehn Ziele sind ambitioniert. Es handelt sich u. a. um


  1. Halbierung der mit konventionellem Kraftstoff betriebenen Pkw bis 2030, deren völlige Abschaffung in Städten bis 2050. In städtischen Zentren soll die Stadtlogistik bis 2030 CO2-frei sein.

  2. Reduzierung der CO2-Emissionen in der Seeschifffahrt um 40 % bis 2050. Im Flugverkehr soll der Anteil "CO2emissionsarmer nachhaltiger Flugkraftstoffe" auf 40 % steigen.

  3. 30 % des Straßengüterverkehrs mit einer Transportdistanz über 300 Kilometer sollen bis 2030 von der Straße auf die Verkehrsträger Eisenbahn und Schiff verlagert werden. Bis 2050 sollen sogar mehr als 50 % verlagert werden.

  4. 2050 soll es ein europäisches Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsnetz geben. Das Netz soll bis 2030 die 3-fache Größe des bestehenden Netzes haben.

  5. Bis 2030 soll ein EU-weites multimodales transeuropäisches Netz-Verkehr (TEN) mit dazugehörigen Informationsdiensten bestehen.

  6. Bis 2050 Anbindung aller Flughäfen des TEN-Verkehrs an das Schienennetz. Darüber hinaus sollen alle Seehäfen des TEN-Verkehrs an das Schienengüterverkehrsnetz angeschlossen werden.

  7. Einführung eines modernisierten Flugverkehrsmanagements bis 2020 und Vollendung des gemeinsamen europäischen Luftraums. Darüber hinaus soll das europäische globale Satellitennavigationssystem Galileo bis 2020 eingeführt sein.

  8. Schaffung des Rahmens für ein europäisches multimodales Verkehrsinformations-, Management- und Zahlsystem bis 2020.

  9. Senkung der Zahl der Verkehrsunfalltoten bis 2050 auf nahe Null. Bis 2020 soll eine Halbierung der Zahl der Unfalltoten im Straßenverkehr erreicht werden.

  10. Umfassendere Anwendung der Nutzer- bzw. Verursacherfinanzierung im Verkehrsbereich zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen und ein größeres Engagement des Privatsektors. Das Verkehrssystem soll dazu so umgebaut werden, dass aus dem Verkehrssystem heraus Erträge generiert werden, welche die Finanzierung zukünftiger Verkehrsinvestitionen gewährleisten.
Bei der Verbrennung des Ottokraftstoffes bzw. des Dieselkraftstoffes im Automotor entstehen Schadstoffe. Dabei treten die folgenden Schadstoffkomponenten in besonderem Maße hervor:

  • Kohlenwasserstoffe
  • Stickoxide (NOx) = Stickstoffmonoxid und -dioxid (NO, NO2)
  • Partikel unterschiedlicher Größe, z. B. Feinstäube (PM10);

    Ausgangspunkt für die Betrachtung sowohl der emissionsseitigen als auch der immissionsseitigen Abgasbelastung von Straßen ist der spezifische Schadstoffausstoß von Kraftfahrzeugen, der sich mit dem jeweiligen Betriebszustand stark verändert. Auch bestehen große Unterschiede im Emissionsverhalten zwischen Diesel- und Ottomotoren.

    Die Emissionsraten der in den Autoabgasen enthaltenen Schadstoffkomponenten erhält man durch Multiplikation des zeitlichen Verkehrsaufkommens mit den sogenannten Abgas-Emissionsfaktoren, die auf die Emission eines einzelnen Pkw bzw. Lkw durchschnittlicher Beschaffenheit bezogen sind.

    Die Kfz-Emissionen hängen von den Fahrgeschwindigkeiten und Fahrweisen, den sogenannten Fahrmustern auf den Straßen ab. Jeder Verkehrssituation kann ein bestimmtes Fahrmuster zugeordnet werden. Tabelle 2/3 gibt einen Überblick über unterschiedliche Fahrmuster unter Angabe der mittleren Fahrgeschwindigkeiten.

    Grundlage für die Bestimmung der Abgasemissionsfaktoren ist das Handbuch für Emissionsfaktoren des Straßenverkehrs (INFRAS, 2010)

    Für diese Ausarbeitung werden folgende Verkehrssituationen herangezogen:

    AB120:

    Autobahn, Tempolimit 120 km/h

    AB100d:

    Autobahn, Tempolimit 100 km/h, dichter Verkehr

    AB80d:

    Autobahn, Tempolimit 80 km/h, dichter Verkehr

    ABS80d:

    Städtische Autobahn, Tempolimit 80 km/h, dichter Verkehr

    AOS-HVS80:

    Städtische Autobahn, Tempolimit 80 km/h

    AOS-HVS80d

    Städtische Autobahn, Tempolimit 80 km/h, dichter Verkehr

    AOS-HVS70

    Städtische Autobahn, Tempolimit 70 km/h

    AOS-HVS60:

    Städtische Autobahn, Tempolimit 60 km/h

    AOS-HVS60d:

    Städtische Autobahn, Tempolimit 60 km/h, dichter Verkehr

    AOS-HVS50:

    Städtische Autobahn, Tempolimit 50 km/h

    AOS-HVS50d:

    Städtische Hauptverkehrsstraße, Tempolimit 50 km/h, dichter Verkehr

    AOS-HVS50g: Städtische Hauptverkehrsstraße, Tempolimit 50 km/h, gesättigter Verkehr
    IOS-NS40: Städtische Neben- bzw. Erschließungsstraße, Tempolimit 40 km/h

    IOS-NS40g:

    Städtische Neben- bzw. Erschließungsstraße, Tempolimit 40 km/h, gesättigter Verkehr

    Tab. 2/3: Beispiele verschiedener Fahrmuster für unterschiedliche Straßentypen;
    Quelle: Lohmeyer nach INFRAS 2010

    In den Faktoren sind auch Straßensteigungen sowie Kaltstartzuschläge zu berücksichtigen. Bei kaltem Motor sind die Abgasemissionen erhöht, da der Katalysator noch nicht voll funktionsfähig ist. Es können in der Datenbank zur Berechnung der Emissionsfaktoren sowohl unterschiedliche Fahrzeugkategorien (z.B. Pkw, Lkw, Bus, Motorrad) als auch Fahrzeugbezugsjahre gewählt werden.

    Tabelle 2/4 listet beispielhaft Emissionsfaktoren auf. Auffällig sind im Fall von NOx und Staub die etwa um den Faktor 10 höheren Emissionen der Lkw gegenüber den Pkw.

    Für die Beurteilung der Schadstoffbelastung an Straßen werden in der Regel verschiedene Rechenmodelle eingesetzt (s. Kap. 4.3). Üblicherweise sind dies Gaußmodelle, Lagrangemodelle und Boxmodelle, letztere speziell für Straßenschluchten.

    Zur Simulation der Schadgasausbreitung von Straßen und zur Quantifizierung der sich ergebenden Immissionsbelastung kommen auch Windkanaluntersuchungen in Betracht (s. Kap. 4.2).

    Straßenparameter
    spezifische Emissionsfaktoren je Kfz (g/km) 2010
    Verkehrs-
    situation
    Ge-
    schwin-
    digkeit
    (Pkw)
    NOx
    PM10/ PM2,5
    (nur Abgase)
    PM10
    (nur Abrieb und
    Aufwirbelung)
    PM2,5
    (nur Abrieb)
    LV
    SV
    LV
    SV
    LV
    SV
    LV
    SV
    AB120
    92,8
    0,317
    3,306
    0,0133
    0,0604
    0,022
    0,2
    0,012
    0,053
    AB100d
    122,0
    0,481
    3,004
    0,0186
    0,0517
    0,022
    0,2
    0,011
    0,048
    AB80d
    75,5
    0,257
    3,531
    0,0118
    0,0606
    0,022
    0,2
    0,015
    0,056
    ABS80d
    71,0
    0,229
    4,089
    0,0103
    0,0821
    0,022
    0,2
    0,016
    0,059
    AOS-HVS80
    70,0
    0,229
    3,717
    0,0083
    0,0671
    0,022
    0,2
    0,016
    0,060
    AOS-HVS80d
    56,4
    0,279
    4,455
    0,0099
    0,0685
    0,022
    0,2
    0,018
    0,066
    IOS-HVS70
    45,0
    0,322
    5,017
    0,0145
    0,0699
    0,04
    0,38
    0,021
    0,062
    IOS-HVS60
    37,0
    0,411
    6,081
    0,0167
    0,0985
    0,05
    0,45
    0,022
    0,062
    IOS-HVS60d
    30,8
    0,390
    6,341
    0,0158
    0,0922
    0,06
    0,6
    0,022
    0,062
    IOS-HVS50
    52,0
    0,312
    4,149
    0,0137
    0,0595
    0,022
    0,2
    0,019
    0,057
    IOS-HVS50d
    43,0
    0,336
    4,860
    0,0148
    0,0652
    0,022
    0,2
    0,021
    0,062
    IOS-HVS50g
    66,2
    0,308
    3,759
    0,0138
    0,0549
    0,022
    0,2
    0,016
    0,053
    IOS-NS40
    36,8
    0,396
    6,423
    0,0166
    0,0993
    0,04
    0,38
    0,022
    0,062
    IOS-NS40g
    23,1
    0,512
    8,312
    0,0200
    0,1255
    0,06
    0,6
    0,022
    0,062

    Tab. 2/4: Emissionsfaktoren in g/km je Kfz für das Prognosejahr 2015,
    Quelle: Lohmeyer nach INFRAS (2010)

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    Abb. 2/19:Straßenverkehrsanteil an Schadstoffemissionen in der BRD (2009); Quelle:UBA