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Vorwort
Inhalt
1.Das Klima als öffentlicher Belang in der Bau­­leit­­planung
2.Charakteristik und Erscheinungsformen des Stadtklimas
2.1Allgemeines
2.2Urbaner Wärmehaushalt
2.3Urbane Wärmeinsel
2.4Feuchte/Niederschlag/Vegetation
2.5Wind
2.6Bioklima
2.7Luftaustausch
2.8Schadstoffemissionen
2.8.1Der Verkehr als Schadstoffquelle
2.8.2Rechnerische Abschätzung der Verkehrsimmissionen
2.9Schadstoffbelastungen und Grenzwerte
2.9.1Grenz-/Beurteilungswerte
2.10Schadstoffwirkung
2.11Der Klimawandel
2.11.1Klimawandel in Deutschland
2.11.2Vermeidung des Klimawandels
2.11.3Anpassung an den Klimawandel
3.Energiebewusste Bauleitplanung
4.Methoden der Informations­­­gewinnung für die Planung (Messungen, Windkanal, Numerische Modellierung)
5.Klima- und Lufthygienekarten als Hilfsmittel in der Bauleitplanung
(Beispiel: Klimaatlas Verband Region Stuttgart)
6.Empfehlungen für die Planung
7.Literaturverzeichnis
8.Thematische Websites
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CHARAKTERISTIK UND ERSCHEINUNGSFORMEN DES STADTKLIMAS
   
 2.4 Feuchte/Niederschlag/Vegetation

In der freien Landschaft wird ein erheblicher Teil der Strahlung zum Verdunsten des im Boden und im Bewuchs gespeicherten Wassers verwandt. Dieser Anteil ist wesentlich höher als der durch die Schattenwirkung von Gebäuden auf die Temperatur bewirkte Effekt.

Die Vegetation, insbesondere der Wald, übt zudem eine große Filterwirkung aus. So hat die Waldluft 200 bis 1000 mal weniger Staub und Rußpartikel als die Luft in Städten. Auch zeigen sich in innerstädtischen Parkanlagen deutlich geringere Staubbelastungen als in den Bauquartieren. Dies unterstreicht die hohe stadtklimatische Bedeutung von innerstädtischen Grünflächen.


Gemeinsame Eigenschaft sämtlicher Vegetationsformen ist die Verhinderung der Bodenversiegelung, der sich konkrete klimatische Auswirkungen zuordnen lassen:

Über bebauten, versiegelten Oberflächen verdunsten nur kleinere Wassermengen. Dies ist ein sehr wesentlicher Faktor für den Temperaturüberschuss bebauter Gebiete. Die Abflussbeiwerte zur Ermittlung des Regenwasserabflusses gem. DIN 1986 zeigen, dass bei Pflaster mit Fugenverguss, Schwarzdecken oder Betonflächen 90 % des Niederschlagswassers in die Kanalisation abfließen (vgl. Kap. 6.1.4, Tab. 6/2).

Der Einfluss der zur Verdunstung nicht zur Verfügung stehenden Wassermengen auf die Lufterwärmung wird durch folgenden Vergleich deutlich: Zur Verdampfung von 1 l Wasser sind bei normalem Luftdruck ca. 2250 kJ erforderlich. Mit der gleichen Wärmemenge können aber 100 m³ Luft um 18 Grad Celsius erwärmt werden.

Wegen des im wärmeren Baugebiet verminderten Wasserdampfdrucks stellt sich zur feuchteren und kühleren Umgebung ein starker Dampfdruckgradient und ein entsprechendes Verdunstungspotential ein, was als sog. Oasen-Effekt am Rande des bebauten Gebietes die Lufttemperatur geringer ansteigen lässt und gleichzeitig die Verdunstung im benachbarten feuchteren Gebiet erhöht. Insofern übt die eine Grünfläche umgebende Bebauung eine nachteilige "Fernwirkung" auf die in städtischen Ballungsräumen oasenartig eingestreuten Grünflächen aus.

Die Bedeutung der Sauerstofferzeugung durch urbane Vegetationsflächen muss differenziert betrachtet werden (ROBEL, 1975; BERNATZKY, 1985; MÜRB, 1992):

Man kann davon ausgehen, dass der Sauerstoffanteil des Gasgemisches Luft seit etwa 200 Mio. Jahren konstant etwa 21% beträgt. Folglich muss seither ein bemerkenswert stabiles Gleichgewicht zwischen der assimilatorischen Sauerstofferzeugung und den sauerstoffverbrauchenden Prozessen bestehen. Letztere haben infolge technisch-industrieller Verbrennungsvorgänge in der Gegenwart stark zugenommen. Der Sauerstoffverbrauch durch Lebewesen und technische Prozesse wird jedoch über Luftaustauschbewegungen immer wieder so schnell ausgeglichen, dass im Lebensbereich von Mensch und Pflanze nur Konzentrationsschwankungen von 1/100 bis 1/1000 Volumenprozent beobachtet werden. Schwankungen dieser Größe sind jedoch für die sauerstoffverbrauchenden Tiere und Menschen ohne Bedeutung. Für die Wirksamkeit der Atmung ist nämlich der Sauerstoffpartialdruck ausschlaggebend, welcher sich entsprechend dem Luftdruck verändert. Daraus folgt, dass größerer Luftdruckfall bei Wetterumschlag, insbesondere aber bei Aufenthalten in größerer Höhe weitaus atmungswirksamer ist als die geringfügigen Konzentrationsschwankungen des Sauerstoffs in der Luft.

Bei der Assimilation nehmen die chlorophyllhaltigen Pflanzen Kohlendioxid aus der Luft auf und setzen Sauerstoff frei. Um den Sauerstoff-Jahresbedarf eines Menschen zu decken, muss eine Pflanzenbestandsfläche von etwa 130 m² über den ganzen Sommer assimilieren, wenn man für den Quadratmeter pflanzenbestandener Bodenfläche eine jährliche Sauerstoffproduktion von 2 kg ansetzt. Nach BERNATZKY (1985), weist eine 100jährige freistehende Buche von 25 m Höhe eine äußere Blattfläche von 1.600 m² auf, so dass sich eine Sauerstoffproduktion für 12 Menschen pro Jahr ergibt.

Nicht unberücksichtigt bleiben darf jedoch, dass der Sauerstoff, den die Pflanzen beim Prozess der Photosynthese freisetzen, kein bleibender Gewinn für die Atemluft ist. Etwa ein Drittel davon wird beim Vorgang der pflanzlichen Atmung verzehrt, wobei die Pflanzen unter Aufnahme von Sauerstoff organische Substanz abbauen, während die verbliebenen zwei Drittel bei der Zersetzung abgestorbener pflanzlicher Substanz in längeren Abbauvorgängen verbraucht werden. Ein dauerhafter Sauerstoffgewinn kann nur stattfinden, wenn es zu langfristigen Konservierungen organischer Substanz kommt, was z.B. bei der Bildung von Kohle- und Erdölablagerungen der Fall war. Produktionsstätten für Sauerstoff mit positiver Bilanz sind vor allem die Ozeane: Ihr Phytoplankton liefert rd. 70% des auf der Erde verbrauchten Sauerstoffs. Die restlichen 30% kommen von den Landpflanzen und hier besonders von den großen kontinentalen Waldgebieten. Unsere Grünflächen und Wälder haben nur eine örtlich begrenzte, stabilisierende Wirkung auf den Sauerstoffgehalt der Luft, die bei der Vielzahl bodennaher Feuerstätten und Verbrennungsmotoren aber nicht vernachlässigt werden darf. Es sollte allerdings vermieden werden, die städtischen Parkanlagen und Grünflächen als Lungen der Stadt zu bezeichnen, da ihre diesbezügliche Funktion nur gering ist.

Aufgrund des Wärmeinseleffektes in Städten ist die relative Luftfeuchtigkeit dort geringer als im Umland, wenngleich sich die absolute Feuchte insbesondere durch die Einbringung von Wasserdampf durch Verbrennungsprozesse vom Umland nur gering unterscheidet. Im Jahresmittel ist die Feuchte in der Stadt um ca. 6 % geringer als im Umland. Besonders große Unterschiede sind bei der Taubildung vorhanden (in den Städten bis zu 65 % weniger). Abbildung 2/8 zeigt als Beispiel die gemessene Feuchteverteilung im Stadtgebiet von Karlsruhe an heiteren windstillen Sommerabenden (FIEDLER, 1979).

Im Gegensatz zu früheren Literaturhinweisen ist in Städten die Nebelhäufigkeit, bedingt durch den verstärkten Wärmeinseleffekt und den starken Rückgang der Staubbelastung, gegenüber dem Umland inzwischen geringer. Auch hat die mittlere Sichtweite in den Städten erheblich zugenommen.

In den Städten ist die Niederschlagsmenge, die Schauertätigkeit und die Zahl der Regentage um 5 bis 10 % größer, die Zahl der sommerlichen Gewittertage um 15 bis 20%. Dabei tritt der stärkste Niederschlag vor allem im Lee der Städte auf (Abb. 2/8a). Verstärkte Hageltätigkeit konnte bisher über Stadtgebieten in der Bundesrepublik nicht nachgewiesen werden. Tage mit Schneefall sind in Städten weniger häufig als in der freien Landschaft, auch bleibt der Schnee dort infolge der höheren Temperaturen weniger lang liegen (KUTTLER, 2010).

 
 
 
Abb. 2/8: Verteilung der relativen Luftfeuchte; Quelle: FIEDLER (1979)
 
Abb. 2/8a: Höhere Regenmengen (Mai - Sept.) im Lee großer Städte in den USA
Quelle: Nasa News (2003)