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Vorwort
Inhalt
1.Das Klima als öffentlicher Belang in der Bau­­leit­­planung
2.Charakteristik und Erscheinungsformen des Stadtklimas
3.Energiebewusste Bauleitplanung
3.1Allgemeines
3.2Die Sonne als Energiequelle
3.2.1Globalstrahlung
3.2.2Sonnengeometrie
3.2.3Hilfsmittel zur Untersuchung der Besonnungsverhältnisse
3.2.4Tageslichtbeleuchtung
3.3Die Lufttemperatur als Einflussgröße energiebewusster Planung
3.3.1Kennwerte zur Beschreibung des thermischen Niveaus
3.3.2Lokalklimatische Gesichtspunkte
3.4Der Wind als Einfluss­größe energiebewusster Planung
3.4.1Windstatistik
3.4.2Folgerungen aus der Windstatistik
3.4.3Windzunahme mit der Höhe
4.Methoden der Informations­­­gewinnung für die Planung (Messungen, Windkanal, Numerische Modellierung)
5.Klima- und Lufthygienekarten als Hilfsmittel in der Bauleitplanung
(Beispiel: Klimaatlas Verband Region Stuttgart)
6.Empfehlungen für die Planung
7.Literaturverzeichnis
8.Thematische Websites
Impressum
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ENERGIEBEWUSSTE BAULEITPLANUNG
   
 3.3.2 Lokalklimatische Gesichtspunkte

Im Folgenden sollen die lokalen Einflüsse behandelt werden, die auf kleinstem Raum oft erhebliche Abweichungen von den für die Klimaregion typischen Temperaturwerten mit der Folge abweichenden Energieverbrauchs verursachen können.

Wärmeinseleffekt der Bebauung

In der Abbildung 2/2 sind die Einflussgrößen des urbanen Wärmehaushalts dargestellt, deren Zusammenwirken eine Wärmeinsel im Siedlungsbereich entstehen lässt. In der Abbildung 2/4 wird dieser Wärmeinseleffekt quantifiziert. Wie erwähnt, ist mit diesem Befund eine nicht unerhebliche Reduzierung des Heizenergiebedarfs verbunden, die für eine Großstadt auf 10% bis 15% zu schätzen ist. Es handelt sich dabei um einen der wenigen Vorteile, welche städtische Bebauung und damit verbundene Bodenversiegelung in klimatischer Hinsicht zu bieten haben.

Temperaturabnahme mit der Höhe

Es entspricht einer physikalischen Gesetzmäßigkeit, dass die mittlere Lufttemperatur mit zunehmender Höhenlage eines Ortes abnimmt. Im Jahresmittel beträgt diese höhenbedingte Temperaturabnahme durchschnittlich 0,5 °C pro 100 m Höhenstufe. Im Sommer und Frühjahr erhöht sich der Betrag der Temperaturabnahme auf ca. 0,6 °C pro 100 m Höhenstufe, während er im Herbst auf 0,4 °C und im Winter auf ca. 0,3 °C pro 100 m zurückgeht. In Abbildung 3/20 ist die jahreszeitliche Höhenabhängigkeit der Temperaturmittelwerte graphisch dargestellt. Somit ist davon auszugehen, dass in größerer Höhe über dem Meeresspiegel gelegene Orte aufgrund niedrigerer Außentemperaturen einen erhöhten Heizwärmebedarf aufweisen. Dieser an sich richtige Sachverhalt kann jedoch durch topographisch bedingte mikroklimatische Effekte überlagert werden.

Kaltluftsammel- und Kaltluftstaugebiete

Geländemulden, Senken und Täler wirken als nächtliche Kaltluftsammelgebiete. Die dort in windschwachen wolkenarmen Strahlungsnächten von den Kaltlufteinzugsgebieten der Hänge und Höhen zusammenfließende Kaltluft lässt niedrige nächtliche Temperaturminima entstehen, die am Tage - insbesondere im Sommer - durch die für Täler typischen Übertemperaturen im statistischen Mittel wieder ausgeglichen werden. Extrem niedrige nächtliche Temperaturminima ergeben sich, wenn eingeflossene Kaltluft an Strömungshindernissen zu einem stagnierenden Kaltluftsee aufgestaut wird. Es sind dies auch jene spät- und frühfrostgefährdeten Bereiche, in welchen frostempfindliche Sonderkulturen nicht möglich sind oder zumindest häufig geschädigt werden (vgl. Abschnitt 6.2.4 und Abb. 6/27).

Im Interesse einer energiebewussten Planung sind Kaltluftsammelgebiete, insbesondere aber Kaltluftstaubereiche für eine Besiedlung zu meiden. Die geländeklimatischen Nachteile können hier durchaus mit einem um 20% höheren Heizenergieverbrauch zu Buche schlagen.

Dunst- und Nebelhäufigkeit

Gegenden mit großer Dunst- und Nebelhäufigkeit sind während der austauschärmeren Heizzeit gleichermaßen durch ein herabgesetztes Temperaturniveau und verminderte Sonneneinstrahlung gekennzeichnet. Es handelt sich dabei meistens um die oben erwähnten Kaltluftsammel- oder -staugebiete in Tal- und Muldenlage, aber auch um ebene offene Landschaften mit Gewässern und Feuchtgebieten. Ausdruck der vorhandenen Austauscharmut ist die große Häufigkeit von Bodeninversionen der Temperatur, die durch die Abbildungen 3/21 und 3/22 erläutert werden.

Während normalerweise die Lufttemperatur mit der Höhe in der freien Atmosphäre um etwa 1°C pro 100 m abnimmt, erfolgt im Bereich einer Temperaturinversion eine Temperaturzunahme mit der Höhe, z.B. aufgrund von zufließender Warmluft in der Höhe. Inversionen bedeuten eine Sperre für den vertikalen Luftaustausch und begünstigen somit das Auftreten von Dunst und Nebel, insbesondere wenn sie dem Erdboden direkt aufliegen. Man spricht dann von einer Bodeninversion, wobei die Gründe für das Vorhandensein einer bodennahen Kaltluftschicht meist in der Austauscharmut und starken nächtlichen Abkühlung der Erdoberfläche liegen. Bodeninversionsgefährdete Bereiche sind aufgrund ihres ungünstigen thermischen Niveaus und des zu erwartenden vermehrten Heizenergieaufwandes für die Besiedlung wenig geeignet.

Empfehlungen

Aus energetischen Gründen sind in jedem Fall die temperaturbegünstigten südost- bis südwestorientierten Halbhöhenlagen für eine Besiedlung am besten geeignet. Durch bewaldete Bergkuppen und Hangschultern können diese Lagen gegen Kaltlufteinbrüche der Hochebenen geschützt werden.

Zur Vermeidung von thermisch ungünstigen Lagen bei Standortplanungen empfiehlt sich zunächst eine gründliche Betrachtung der topographischen Situation. Auch die Art der bisherigen landwirtschaftlichen Nutzung kann Anzeichen für thermisch ungünstige Verhältnisse geben. Es existieren für Baden-Württemberg verschiedene vom Deutschen Wetterdienst ausgearbeitete Klimakarten zum thermischen Komplex. Für örtliche Fragestellungen sind Detailberechnungen über Sonderuntersuchungen notwendig.

In diesem Zusammenhang erweist sich die im Abschnitt 5.2 vorgestellte Infrarot-Thermographie von besonderem Wert. Die im Abschnitt 5.7 beschriebenen Klimaanalysekarten berücksichtigen Fragen der Heizenergie durch die Kartierung von Kaltluftsammelgebieten und Kaltluftstaubereichen. Auch werden in derartigen Karten bodeninversionsgefährdete Bereiche sowie Gebiete mit verstärktem Auftreten von Dunst und Nebel hervorgehoben. Auch Bioklimadaten, wie z. B. im regionalen Klimaatlas (VERBAND REGION STUTTGART, 2008) sind wertvolle Unterlagen.

 
 
 
Abb. 3/20: Jahresmitteltemperaturen für Orte in unterschiedlichen Höhenlagen,
Quelle: DWD
 
Abb. 3/21: Beispiel für den vertikalen Temperaturverlauf in der freien Atmoshäre; vertikales Temperaturprofil mit Bodeninversion
 
Abb. 3/22: Beispiel für den vertikalen Temperaturverlauf in der freien Atmoshäre; vertikales Temperaturprofil mit einer Inversion in der Höhe
 
Abb. 3/23: Kaltluftsee, sichtbar durch Nebelbildung (Bodeninversion)
 
Abb. 3/23a: Höheninversion über dem Stuttgarter Talkessel