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Vorwort
Inhalt
1.Das Klima als öffentlicher Belang in der Bau­­leit­­planung
2.Charakteristik und Erscheinungsformen des Stadtklimas
3.Energiebewusste Bauleitplanung
4.Methoden der Informations­­­gewinnung für die Planung (Messungen, Windkanal, Numerische Modellierung)
5.Klima- und Lufthygienekarten als Hilfsmittel in der Bauleitplanung
(Beispiel: Klimaatlas Verband Region Stuttgart)
6.Empfehlungen für die Planung
7.Literaturverzeichnis
8.Thematische Websites
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Belastungen der Umwelt gehen meistens mit der Inanspruchnahme von Flächen für entsprechend belastende Nutzungen einher, so dass es sinnvoll ist, mit den Mitteln der Regional- und Stadtentwicklung eine vorsorgende Planung im Sinne des Umweltschutzes zu betreiben. Das Umweltrecht umfasst demzufolge neben seinem ursprünglichen Schwerpunkt im gewerblichen Bereich heute verstärkt auch die räumliche Planung. Die kommunale Ebene der Bauleitplanung gilt dabei als wichtiges Instrument, das zum Schutz des Klimas und zur Luftreinhaltung wesentlich beitragen kann; denn mit dem aus dem Flächennutzungsplan einer Gemeinde entwickelten Bebauungsplan entscheidet sich rechtsverbindlich, ob Grund und Boden umweltverträglich genutzt werden. Diesem Sachverhalt tragen verschiedene gesetzliche Anforderungen Rechnung.

Das BAUGESETZBUCH (BauGB) fordert in § 1 Abs. 5, dass die Bauleitpläne eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gewährleisten, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt. Bauleitpläne sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln, sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln.

Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne insbesondere zu berücksichtigen:

"7. die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere

a) die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Boden, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge
zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt,

c) umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt,

e) die Vermeidung von Emissionen ...,

f) die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie,

g) die Darstellungen von Landschafts- und Grünordnungsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts,

h) die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die ... festgelegten Immissionsschutzgrenzwerte nicht überschritten werden,

i) die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a, c und d,"

Insbesondere mit Buchstabe h) werden die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bezüglich gebietsbezogener Strategien zur Luftreinhaltung (vgl. §§ 49, 50 BImSchG) als Abwägungsbelang für die Bauleitplanung übernommen.

Die ergänzenden Vorschriften des § 1a BauGB konkretisieren diese abwägungspflichtigen umweltschützenden ökologischen Belange, die in ihrer Gesamtheit auch das Klima günstig beeinflussen:

Neben einer Bodensschutzklausel, in der auch beispielhaft auf die Möglichkeiten durch Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung verwiesen wird, sind Bodenversiegelungen ausdrücklich auf das notwendige Maß zu begrenzen (§ 1a Abs 2).

Mit § 1 a (3) BauGB gehört auch der Ausgleich zu erwartender Eingriffe in Natur und Landschaft zu den umweltschützenden Belangen in der Abwägung. Der Ausgleich erfolgt durch geeignete Darstellungen nach § 5 BauGB im Flächennutzungsplan bzw. durch Festsetzungen nach § 9 im Bebauungsplan ("Flächen" bzw. "Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich").

Hier ist auf den Zusammenhang hinzuweisen, dass es zu den Zielen des Natur- und Landschaftsschutzes gehört, die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Nutzungsfähigkeit der Naturgüter (Boden, Wasser, Klima, Tier- und Pflanzenwelt) auf Dauer zu sichern (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 NatSchG)

Im Rahmen des Europarechtsanpassungsgesetzes Bau – EAG Bau (Umsetzung der Plan-UP-Richtlinie (2001/42/EG) in nationales Recht) war es im Jahr 2004 erforderlich geworden, das BauGB zu ändern. Dies wurde zum Anlass genommen, das BauGB insgesamt zu überarbeiten.

Für die Belange des Umweltschutzes wird mit § 2 Abs. 4 BauGB für die Bauleitplanung eine Umweltprüfung verlangt, in der die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen ermittelt, beschrieben und bewertet werden. Nach § 2a wird gefordert, außer der Begründung zum Bauleitplanentwurf auch einen Umweltbericht als gesonderten Teil der Begründung beizufügen. Somit ist eine eigenständige Regelung zur Umweltverträglichkeitsprüfung für bestimmte Bauleitpläne wie im bisherigen § 1a Abs. 2 Nr. 3 nicht mehr erforderlich.

Dementsprechend wird in § 17 UVPG klargestellt, dass Bebauungspläne i. S. des § 2 Abs. 3 Nr. 3 und insbesondere Vorhaben nach Nr. 18.1 bis 18.9 der Anlage 1 nach den Vorschriften des BauGB durchzuführen sind.

Die Vorgaben des bisherigen § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 7 mit dem entsprechenden Regelungsgehalt der bisherigen §§ 1a und 2a sowie mit den Vorgaben des Anhangs I der Plan-UP-Richtline und des Anhangs IV der Projekt-UVP-Richtline werden in § 1 Abs. 6 Nr. 7 (s. o.) zusammengeführt. Inhaltlich neu im Vergleich zu der bisher geregelten Umweltverträglichkeitsprüfung nach der Projekt-UVP-Richtlinie ist, dass die Prüfung nicht auf nachteilige Umweltauswirkungen beschränkt ist.

Im Ansatz vergleichbare Forderungen einer auch dem vorsorgenden Umweltschutz verpflichteten Bauleitplanung hatte schon die am 1.1.1977 in Kraft getretene Neufassung des damaligen Bundesbaugesetzes enthalten, womit dem 1974 entwickelten Vorsorgeprinzip des BUNDES-IMMISSIONSCHUTZGESETZES (BImSchG) Rechnung getragen wurde. Dieses formuliert mit § 50 einen Grundsatz, der jede planende Institution bindet:
"Bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen sind die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienender Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete soweit wie möglich vermieden werden."

Nach § 4 (1) BauGB holt die Gemeinde die Stellungnahmen der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich durch die Planung berührt wird, möglichst frühzeitig ein. Die Träger öffentlicher Belange sind entsprechend zu unterrichten und zur Äußerung auch im Hinblick auf den erforderlichen Umfang und Detaillierungsgrad der Umweltprüfung aufzufordern.

Für die Behandlung der Planungsfaktoren Luft und Klima ist allerdings keine bestimmte Behörde oder Stelle als Träger Öffentlicher Belange speziell zuständig. Die traditionellen Ansätze für Klimaschutz und Luftreinhaltung liegen schwerpunktmäßig in den Bereichen

  • Arbeitsschutz, Arbeitsmedizin und Nachbarschaftsschutz (Immissionsschutz, Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen)

  • Orts- und Umwelthygiene (aus vorwiegend medizinischer Sicht)

  • Natur- und Landschaftsschutz.
Unterschiedliche am Planverfahren Beteiligte können somit diesen Belang im Anhörungsverfahren vertreten, insbesondere weil Luft und Klima allgegenwärtig sind und sich somit auch Berührungspunkte zu anderen Belangen ergeben.

Die Gemeinden haben die Aufgabe, die erheblichen Umweltauswirkungen, die auf Grund der Durchführung der Bauleitpläne eintreten zu überwachen. Dadurch sollen sie in der Lage sein, unvorhergesehene nachteilige Auswirkungen frühzeitig zu ermitteln und geeignete Maßnahmen zur Abhilfe zu ergreifen. Sie nutzen dabei die im Umweltbericht anzugebenden Überwachungsmaßnahmen sowie die Informationen der Behörden nach § 4 BauGB.

Durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21.12.2006 wurde das BauGB mit Wirkung vom 01.01.2007 dahingehend geändert, dass unter bestimmten Bedingungen Bebauungspläne für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, für Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innentwicklung in einem beschleunigten Verfahren ohne Durchführung einer Umweltprüfung aufgestellt werden können (sog. Bebauungsplan der Innenentwicklung). Die zur Anwendung dieses Verfahrens zulässige Grundfläche darf bis weniger als 20.000 Quadratmeter oder als 70.000 Quadratmeter betragen, wenn auf Grund einer überschlägigen Prüfung die Einschätzung erlangt wird, dass der Bebauungsplan voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, die nach § 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigen wären (Vorprüfung des Einzelfalls). Die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereiche durch die Planung berührt werden können, sind an der Vorprüfung des Einzelfalls zu beteiligen.

Eine weitere Überarbeitung erfolgte 2011 durch das ?Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes bei der Entwicklung in den Städten und Gemeinden?. § 1a (5) BauGB regelt nun, dass den Erfordernissen des Klimaschutzes sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen, Rechnung getragen werden soll. Das Baugesetzbuch und die BAUNUTZUNGSVERORDNUNG (BauNVO) bieten somit differenzierte Möglichkeiten für eine klimagerechte Stadtplanung. Der gesetzliche Katalog zulässiger Festsetzungen in Bebauungsplänen ist erweitert worden (§ 9 (1), (1a) BauGB). Dabei gibt es freilich keine Festsetzung, welche für sich alleine genommen ein zuträgliches Stadtklima bewirken könnte.

Die neuen Rechtsinstrumente des Städtebaulichen Vertrages (§ 11 BauGB) und des Vorhaben- und Erschließungsplanes (§ 12 BauGB) kommen der Berücksichtigung stadtklimatischer Belange in verschiedener Hinsicht entgegen:

So ermöglicht die Darstellung des konkreten Vorhabens im VEP die Untersuchung und Bewertung aller baukörperabhängigen klimatischen Auswirkungen auf die Umgebung. Dies hat Bedeutung für die Aspekte Besonnung und Belichtung, Möglichkeiten der Solarnutzung sowie für die bioklimatischen Bedingungen.

Mit dem Instrument des Städtebaulichen Vertrages ist u.a. die Vereinbarung von Energieversorgungskonzepten mit ihren technischen Einzelheiten (beispielsweise Solarthermie) möglich. Ebenso können Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden formuliert werden. Städtebauliche Verträge können somit als Zielbindungsverträge auch zur Durchsetzung klimaschützender Maßnahmen herangezogen werden.

Der großräumige Klimaschutz ist als öffentlicher Belang bei der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Dies ergibt sich auch aus dem Grundgesetz, das mit Artikel 20 a den Umweltschutz als Staatsziel benennt. Danach müssen unbestimmte Rechtsbegriffe (z.B. "Allgemeinwohl") im Lichte dieses Staatsziels ausgelegt werden.

Das 2011 novellierte BauGB enthält nun Regelungen, mit denen die städtebaulichen Voraussetzungen für Klimaschutz und Klimaanpassungen geschaffen oder verbessert werden sollen. Die Neuregelungen erstrecken sich insbesondere auf die planerische Abwägung, die Darstellungs- und Festsetzungsmöglichkeiten in Bauleitplänen, die Zulassung von Vorhaben und auf das besondere Städtebaurecht (Artikel 1: Änderung des Baugesetzbuches (s. oben bei BauGB); Artikel 2: Änderung der Planzeichenverordnung 1990).

Neben den bereits zitierten § 1 (5) und § 1a (5) sei hier die Regelung in BauGB § 171a (3) zitiert, dass Stadtumbaumaßnahmen dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Sie sollen insbesondere dazu beitragen, dass (Ziffer 1) die Siedlungsstruktur den Erfordernissen von Bevölkerung und Wirtschaft sowie den allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und die Klimaanpassung angepasst wird. Schließlich wurden mit den §§ 248 und 249 Sonderregelungen zur sparsamen und effizienten Nutzung von Energie und zur Windenergie in der Bauleitplanung aufgenommen.