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Vorwort
Inhalt
1.Das Klima als öffentlicher Belang in der Bau­­leit­­planung
2.Charakteristik und Erscheinungsformen des Stadtklimas
3.Energiebewusste Bauleitplanung
3.1Allgemeines
3.2Die Sonne als Energiequelle
3.2.1Globalstrahlung
3.2.2Sonnengeometrie
3.2.3Hilfsmittel zur Untersuchung der Besonnungsverhältnisse
3.2.4Tageslichtbeleuchtung
3.3Die Lufttemperatur als Einflussgröße energiebewusster Planung
3.3.1Kennwerte zur Beschreibung des thermischen Niveaus
3.3.2Lokalklimatische Gesichtspunkte
3.4Der Wind als Einfluss­größe energiebewusster Planung
3.4.1Windstatistik
3.4.2Folgerungen aus der Windstatistik
3.4.3Windzunahme mit der Höhe
4.Methoden der Informations­­­gewinnung für die Planung (Messungen, Windkanal, Numerische Modellierung)
5.Klima- und Lufthygienekarten als Hilfsmittel in der Bauleitplanung
(Beispiel: Klimaatlas Verband Region Stuttgart)
6.Empfehlungen für die Planung
7.Literaturverzeichnis
8.Thematische Websites
Impressum
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ENERGIEBEWUSSTE BAULEITPLANUNG
   
 3.1 Allgemeines

Rund 789 Mio. Tonnen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid wurden 2009 in der Bundesrepublik ausgestoßen und belasten somit unser globales Klima. Von den über 67 Mio. Tonnen, die in Baden- Württemberg 2010 energiebedingt ausgestoßen wurden, stammen 26 % aus den Wärme-Kraftwerken, 27 % aus den Haushalten, insbesondere aus dem Heizbereich, 15 % aus dem Industriebereich und 31 % vom Verkehr. Da außer Kohlenstoffdioxid bei den Hausheizungen auch noch Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid, Kohlenstoffmonoxid und Feinstaub anfallen, muss es ein wichtiges Ziel zukünftiger Planung sein, den (fossilen) Brennstoffverbrauch durch Energieeinsparung und Nutzung regenerativer Energien zu reduzieren. Dies soll im Bereich Energieeinsparung nicht nur durch eine bessere Wärmedämmung von Neubauten und Nachbesserung von Altbauten (EnEV 2009) erreicht werden, sondern auch die Möglichkeiten einer zielgerichteten Bauleitplanung sollten genutzt werden.

Das gesamte Einsparpotential auszuschöpfen, macht sich dreifach bezahlt:

  • durch Verringerung der Verbrauchskosten
  • durch Schonung der Energievorräte und
  • durch Reduzierung von Treibhausgas- und Schadstoffemissionen
Im Jahr 1992 hat die internationale Staatengemeinschaft mit der UN-Klimarahmenkonvention maßgebliche Klimaschutzziele festgelegt. Das daraus entstandene 2-Grad-Ziel basiert in seiner heutigen Form auf Darstellungen im Dritten Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) , die 2009 nochmals überarbeitet wurden. Es handelt sich dabei um eine politische Definition der in der Rahmenkonvention grundsätzlich festgelegten Verhinderung einer "gefährlichen anthropogenen Störung des Klimasystems". Offiziell wurde das 2-Grad-Ziel erst auf der UN-Klimakonferenz in Cancún im Dezember 2010 anerkannt. Um dieses Ziel einzuhalten müssten die globalen Treibhausgas-Emissionen zwischen 2015 und 2021 beginnen, zu sinken, weiterhin müssten sie im Jahr 2020 zwischen 40 und 48,3 Mrd. Tonnen liegen. Bis 2050 müsste eine Reduzierung um 48 % bis 72 % im Vergleich zum Jahr 2000 erreicht sein (UNEP, 2010; Download als PDF).

Daraus abgeleitet, verfolgt das Klimabündnis Europäischer Städte (1600 Mitglieder, davon 92 Städte und Gemeinden aus Baden-Württemberg), das Ziel einer 10 %igen Minderung alle 5 Jahre mit dem Gesamtziel einer 50 %igen einwohnerspezifischen Minderung bis 2030 gegenüber 1990.

Die Bundesregierung hat ein "Integriertes Energie- und Klimaprogramm" entwickelt. Damit will Deutschland bis zum Jahr 2020 den Ausstoß von CO2 -Emissionen gegenüber dem Basisjahr 1990 um 40 % reduzieren. Die EU-Klimainitiative "Konvent der Bürgermeister", der auch viele bundesdeutsche Städte angehören, möchte eine mindestens 20 %ige Reduktion bis 2020 und hat explizit auch energetische Ziele (Effizienz, erneuerbare Energie) definiert. Eine Minderung von 30 % bis 2020 gibt die Landesregierung Baden-Württemberg in ihrem Klimaschutzkonzept 2020 Plus an. Bis 2050 strebt das Land als Vision gegenüber 1990 eine Minderung der Treibhausgasemissionen von 80 % an.

Die dringende Notwendigkeit einer drastischen CO2 -Reduzierung bedeutet einschneidende Eingriffe in die Energiepolitik. Insbesondere gilt es, die beträchtlichen Energiesparpotentiale auszuschöpfen, wobei ein wichtiger Bereich nach wie vor im Bauen und Wohnen liegt bzw. im sparsamen Energieeinsatz für Wärme, Licht und Kraft.

Der einzige Nachteil der "Energiequelle" Energieeinsparung ist lediglich der negative Beiklang des Wortes "sparen". Wo vom Sparen die Rede ist, assoziiert man die Begriffe Mangel und Komfortverlust. Dies stimmt jedoch für den hier angesprochenen Sachverhalt keineswegs, zu sehen an den Einsparungsmöglichkeiten bezüglich der Heizenergie allein durch bauliche Maßnahmen .

Die Raumwärme- und Warmwasserbereitstellung ist an den gesamten CO2 -Emissionen Deutschlands mit einem Anteil von etwa 31 % (2010) beteiligt. Eine deutliche Senkung erscheint trotz des erforderlichen Neubauvolumens möglich, weil dieses Ziel - im Gegensatz zu anderen Energieumwandlungssektoren - ohne neue Zukunftstechnologien- mit vorhandenen Baustoffen und bewährten Techniken zur Vermeidung unnötigen Energiebedarfs erreicht werden kann (Informationsplattform der Deutschen Energie-Agentur GmbH (dena) über wirtschaftliche Einsparmöglichkeiten im Alt- und Neubau unter http://www.zukunft-haus.info). Weitere Hinweise und Informationen finden sich z.B. auch beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und im Internet unter http://www.klima-sucht-schutz.de .

Während im Gebäudebestand die Nachbesserung der Wärmedämmung von Außenbauteilen, das Dichten von Fenstern und Türen sowie Verbesserungen oder Erneuerungen der Heizanlagen und ihrer Regelung wichtige Ansatzpunkte für Energieeinsparung sind, geht die Konzeption von Energieeffizienzhäusern weit über den Einsatz verstärkt energiesparender Bauteile hinaus:

Wird das Gebäude als ein im Energieaustausch mit der Umwelt befindliches System verstanden, ermöglicht dies die energetisch intelligente Planung und Ausführung. Eine energieeffiziente Bauleitplanung gestattet das optimale Zusammenwirken von Verlustsenkung und Gewinnung von Raumwärme. Im Vordergrund stehen dabei kompakte Gebäude und bestmögliche Voraussetzungen zur aktiven und insbesondere auch zur passiven Sonnenenergienutzung, wobei die Sonnenwärme zur Unterstützung der Gebäudeheizung mit dem Ziel verwendet wird, einen möglichst großen Teil des Wärmebedarfs zu decken, ergänzt durch eine effiziente Wärmeversorgung. Die Umsetzung derartiger Überlegungen setzt einen die Energieproblematik berücksichtigenden Städtebau, also eine solar-energetische optimierte Stadtplanung voraus (Hinweise hierzu finden sich auch in der SOLARFIBEL - Städtebauliche Maßnahmen, Hrsg. Wirtschaftministerium Baden-Württemberg, 2007 und bei YUDELSON J., 2009).

Die planungsrechtlichen Werkzeuge für energiesparende kompakte Bauweisen, optimierte Abstandsverhältnisse, Gebäudeausrichtung und Dachneigung gehen aus Kapitel 6 hervor, insbesondere aus 6.1.4, 6.2.4 und 6.3.2. Das Rechtsinstrument des Städtebaulichen Vertrags (§ 11 BauGB) ermöglicht die Vereinbarung von Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden (Energieeffizienzbauweise) und die Realisierung baugebietsbezogener Wärme- und Energieversorgungskonzepte.

Bei den standortbezogenen meteorologischen Einflussgrößen für energiebewusste Planung ist zwischen großräumigen klimatischen Unterschieden (etwa zwischen Nordseeküste und Kaiserstuhl) und den topographisch bedingten mikroklimatischen Variationen des Klimas zu unterscheiden. Dieser kleinräumige Aspekt steht hinsichtlich der Klimaparameter Sonneneinstrahlung, Lufttemperatur und Windverhältnisse im Mittelpunkt der nachfolgenden Abschnitte.

Hinweise zum Energiesparen im Altbau finden sich im Programm Zukunft Altbau des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (http://www.zukunftaltbau.de ).